Geschichte

Küsterhaus und Schule, eine enge Verbindung in St. Vit

Ab Mitte des 17. Jahrhunderts beginnt die Geschichte des Küsterhauses und die Geschichte des Schulwesens in St. Vit. Bis 1658 kamen Küster und Pfarrer aus Wiedenbrück zum Gottesdienst nach St. Vit in die 1592 in der Gemeinheit Horst errichtete Kirche, die vorher vor den Toren Wiedenbrücks stand. Beerdigungen fanden übrigens bis Mitte des 18. Jahrhunderts weiter auf dem St. Viter Friedhof vor den Toren von Wiedenbrück statt.
Schon damals war es üblich, dass die Küster dort, wo keine festen Schulen errichtet waren, die Unterrichtung der Jugend vornahmen. St. Vit hatte aber weder Küsterhaus noch eine Möglichkeit, die Jugend zu unterrichten. Dies wurde auf der großen Kirchenschau des Osnabrücker Fürstbischofs Franz Wilhelm von Wartenberg (1625/61) am 12.Juli 1651 bemängelt. Er verlangte die Übersiedlung des damaligen Küsters Konrad Suer genannt Wietlake, Schneider zu Wiedenbrück, in das Kirchspiel. Dazu bedurfte es eines Hauses.

Grundriss_1658
Bei der wirtschaftlich schlechten Lage (30 – jähriger Krieg erst seit 1648 beendet) kein leichtes Unterfangen. Erst 1658 wurde das Haus errichtet und der Küster zog im Herbst ein. Dies ist auch in einem Ratsprotokoll vom 19.11.1658 belegt.

Mit seinem Dienstantritt beginnen in St. Vit auch die Aufzeichnungen in den Tauf-, Trau- und Totenbüchern. Er führte die Bücher vermutlich im Auftrag des Pfarrers, der weiter in Wiedenbrück wohnte. Im Alter von 97 Jahren verstarb Konrad Suer genannt Wietlake am 03.02.1702.
Mit dem Bau des Küsterhauses wurde in der Gemeinde St. Vit das erste, nicht zur reinen landwirtschaftlichen Nutzung genutzte Haus errichtet.
Die Inschrift des Torbogens lautet:
SVB FRANCISCO GVILIELMO EPISCOPO OSNABRVGENSI HANC PAROCHIA (SC ?, domum ) PRO SE SVISqVE EXTRVXIT
S VIT PATR S (ANCTO) VIT) (PATR(ONO)
Übersetzung: Unter Franz Wilhelm, Bischof von Osnabrück, hat die Pfarrei dieses (Haus) für sich und die Seinen erbaut. Das Chronogramm (römische Zahlen) ergibt das Jahr 1658.

Graf von Wartenberg
Graf von Wartenberg

Der erwähnte Fürstbischof war Franz Wilhelm von Wartenberg, *1593, +1661. Er war von 1625 – 1661 unter anderem Bischof von Osnabrück, ab 1660 auch Kardinal.

(Foto rechts: 1910 gefertigtes Relief von Bildhauer Heinrich Hartmann *1868 +1937, an der Klostermauer in Wiedenbrück. Foto: Hermann Josef Budde, Mai 2015)

Dr. Flaskamp stellt in seinem Buch: „Das Lehrerbuch“ die Frage nach dem Unterrichtsraum. Das kann heute, nach der bauhistorischen Untersuchung durch Herrn Laurenz Sandmann 2014/2015, klargestellt werden. Der Unterrichtsraum befand sich im Bereich der heutigen Küche und hatte die gleiche Höhe wie die Deele. Er vermutet weiter, das die heutige, sich anschließende Stube, der Aufenthaltsort des Pfarrers war, wenn er in St. Vit weilte.

Da das darüber liegende Zimmer keine Kopfhöhe aufwies, erhöhte man den Raum um ca. 30 cm. Das ist am Gebäude auch von außen heute noch zu erkennen. Das Zimmer wurde über eine Leiter von der Deele aus erreicht. Das zeigen die Spuren der Abnutzung an dem Boden-Balken. Somit umfasste das Küsterhaus zu Anfang folgende Räume:

  • Deele, l-förmig, mit Zutritt zum Garten nach Süden hin, Tür 2-geteilt, heute noch vorhanden, offene Feuerstelle,
  • rechts auf der Deele eine Stallung (Kuh ?) mit darüber liegender offenen Hille für Stroh u. Heu,
  • weiter rechts schloss sich ein Alkoven an, der mittels Schiebetür verschlossen wurde und dem Küster und seiner Familie zum Schlafen diente,
  • links kleiner Stall (Ziege),
  • von der Deele ging man in den dahinter liegenden Schulraum, von dort noch in den kleinen Vorratsraum,
  • links die Stube des Pfarrers mit der darüber liegenden Schlafstube des Pfarrers.

Schule

Spätestens 1670 wurde an der Westseite ein halbbreites Langhaus als Klassenraum angebaut, welches dann auch die Wohnung des Pfarrers aufnahm. So erhielten die im Küsterhaus wohnenden Familienangehörigen mehr Platz. Nach der Errichtung eines Pfarrhauses 1818, durch Pfarrer Heinrich Temme, hatte im Raum des Pfarrers das Küsterehepaar ihr  Schlafzimmer. Der Anbau wurde aber erst nach und nach ausgestattet. Es ist im Provisorien-Buch vermerkt, dass 1670 die Fenster eingesetzt wurden. 1672 wurde ein Ofen angemietet.
1678 erfolgte weitere Ausstattung der Räume. 1681 wurde Bretterbelag zugefügt. 1684 stiftete der Provisor „Otterpol“ Geld (2 Thalr) für einen Ofen.

Folgende Küster / Lehrer versahen ihre Aufgabe im Küsterhaus inkl. Schule:
Konrad Wietlake bis 1702
Konrad Gottfried Wietlake bis 1730
Phillip Joseph Wietlake bis 1778
Hermann Joseph Kerkmann bis 1819
Elbert Wilhelm Kerkmann bis 1843
Heinrich Sudbrock 1844 – 1854
Nikolaus Krewet 1854 – 1868
Joseph Nordbrock 1868 – 1870
Johannes Lüke 1871 – 1896 letzter Lehrer an der Schule im Küsterhaus
um 1900 August Kunstein Lehrer in der neu erbauten Schule
Familie Poll seit ca. 1932 bis 2014. keine Lehrer mehr

1894 wurde an der heutigen Stromberger Str. im Bereich des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma Michels (heute abgerissen und mit einem Neubau bebaut) das neue Schulgebäude errichtet.
1898 wurde der Schulvorbau am Küsterhaus abgerissen. Herr Flaskamp vermerkt, dass er damals als Schulneuling gesehen hat, wie die zum auf dem Friedhof stehenden Kreuz gehörenden Figuren Maria und Johannes vom Boden der Schule geholt wurden. Die gesamte Kreuzigungsgruppe wurde dem damaligen Wiedenbrücker Museum übergeben. 40 Jahre später fanden sie in der neu erschaffenen Kapelle auf dem St. Viter Friedhof ihre Bleibe bis heute. Das Küsterhaus wurde dann in voller Breite um ein Kammerfach erweitert, so schreibt es Herr Flaskamp in seinen Aufzeichnungen: Das Lehrerbuch.
Ob das so wirklich geschah, könnten nur Untersuchungen am alten Mauerwerk und eventuell noch vorhandenen Fachwerkbalken zeigen. Die uns überlassene Grundriss-Zeichnung ist leider nicht mit einem Datum versehen. Auch ist in den vorhandenen Kirchenunterlagen bislang nichts an Hinweisen zu finden.

Die umfangreichen Aufzeichnungen verdanken wir insbesondere dem Küster und Lehrer Hermann Joseph Kerkmann, seit 1778 Küster, + 1819. Er hat die Namen der Schüler der einzelnen Jahre aufgeführt und Erstkommunionen vermerkt. Weiter hat er die Einnahmen aus Schulgeld und Holz-Geld inkl. Zinseinnahmen vermerkt. Er vermerkt aber nur die fremden Kinder, nicht die eigenen und nicht die Kinder, die ihr Schulgeld aus einer Stiftung des Herrn Johannes Anastasius von der Wyck (1663-1730) erhielten. Die Stiftung wurde im August / September 1728 mit 400 Thalern ins Leben gerufen. Aus dieser Stiftung wurde das Schulgeld der Heuerlings-Kinder und evtl. auch nötige Kleidung bezahlt. Beim Schulgeld ist in Sommerschulgeld und Winterschulgeld zu unterscheiden. In den Sommermonaten nahmen einige Schüler nur Vormittags am Unterricht teil, weil ihre Hilfe auf dem Feld benötigt wurde. Es gab auch Schüler, die nur in den Wintermonaten bis Pfingsten am Unterricht teilnahmen. Bei einer genügenden geistig-sittlichen Entwicklung, zumeist im Alter von 12 Jahren, wurden die Kinder zur Erstkommunion angenommen und schließen damit im großen und ganzen ihren gesamten Schulbesuch ab. Es verbleiben nur wenige noch ein halbes Jahr oder mehr. Die durchschnittliche Schulzeit betrug 5 Jahre. Neben lesen und schreiben und rechnen vermittelte man im Religionsunterricht auch bescheidene Erdkunde- Geschichtliche- und Naturkundliche Inhalte. Die Schüler und Schülerinnen lernten das, was ihnen für den künftigen Lebensweg notwendig war.

Damit wir uns einen Überblick über die Schülerzahl machen können, gibt es den Hinweis, dass im Winterhalbjahr 1790/91 in der Küsterei 39 Kinder unterrichtet wurden, 1814/15 bereits 51 Kinder. Das Schulgeld für den Lehrer betrug 1790/91 insgesamt 27 Taler, im Schuljahr 1814/15 schon 39 Taler. Bei den geringen Kosten für Lebensmittel und der einfachen Lebensführung war die Bezahlung des Lehrers recht gut. Dazu kam das mietfreie Wohnen und andere Einnahmen wie Naturalabgaben der Bauern oder Beteiligung an Gebühren für Taufen, Trauungen usw.. Zudem konnte der Küster pachtfreie Äcker bewirtschaften. Herr Flaskamp erwähnt unter anderem, dass im Jahr 1793 die beiden ursprünglichen Küstereigärten am alten Kirchplatz vor Wiedenbrück verkauft wurden und für den Erlös 2 Morgen Land am neuen Küstereigarten in der Horst erworben wurden.
Erst 1899, auf Ersuchen des damaligen St. Viter Pfarrers Cramer, und geregelt durch ein Gesetz von 1872, wurden die Natural-Zahlungen eingestellt und mit einer einmaligen Zahlung des 22 2/9 fachen in Geld abgegolten.

Küsterei

Der Küster und Lehrer Hermann Joseph Kerkmann hat 1784 auf dem heutigen Grundstück „Am Lattenbusch 6“ sein Wohnhaus gebaut und konnte deshalb im Küsterhaus eine Schenke betreiben. Der Garten wurde mit Lauben und Gängen hergerichtet, an der Südostecke des Gartens wurde ein Hügel „von ansehnlicher Höhe“ künstlich aufgeworfen und mit einer Laube geziert. Die zahlreichen Gäste aus naher und weiter Umgebung lustwandelten in den schattigen Alleen der Obstbäume und erquickten sich in den kühlen Lauben. Dorfkern_1860
Die „Kösterigge“ die, besonders im Revolutionsjahr 1848 wegen mancher Ausgelassenheit weit und breit beachtet, von ernsten Leuten gemieden, umso mehr aber vom jugendlichen unruhigen Volk aus stundenweiter Entfernung besucht wurde“, minderte das Ansehen der Kirche. Das jedenfalls war die Ansicht des lutherischen Pfarrers Johan Heinrich Volkening, *1796, + 1877, (Pfarrer in Gütersloh 1827-1837) aus Gütersloh. Er predigte, man solle doch aus der Verehrungsstätte des heiligen Vitus, dem „Sünte Vit“, kein „Sünden-Vit“ machen.
Der Küster und Lehrer Nikolaus Krewet (Küster 1854 – 1868) gab die Wirtschaft im Jahre 1854 auf und überließ die Konzession, das Schankrecht, dem damaligen Küsterei-Knecht Peter Aschoff. Dieser baute im selben Jahr eine neue Wirtschaft am Wiedenbrücker – Stromberger Weg, das bekannte, aber nun schon über Jahre abgebrochene „Gasthaus Außel“. Nachdem die neue Schule errichtet war und der alte Schulanbau abgebrochen war, erfolgte um 1898/99 der Anbau mit roten Ziegeln. Der bis heute unveränderte Anbau beherbergt 2 Zimmer im Erdgeschoß und 2 Zimmer im Obergeschoß, die die damals üblichen hohen Decken aufweisen. Sämtliche Türen und Türgriffe (Messing) sind noch vorhanden. Im Flur und in der Küche liegen die seinerzeit verlegten Fliesen.

Das Küsterhaus hat neben der Schule, der Wohnung des Geistlichen und der Gaststätte auch das Büro des St. Viter Spar- und Darlehnskassenvereins beherbergt. Die Anregung zur Errichtung dieser Kasse gab Pfarrer Wilhelm Cramer, Pfarrer von 1897 – 1910. Am 15. März 1904 wurde der Verein gegründet. Erster Rendant war der Lehrer und Küster August Kunstein. Erst 1923 wurden die neu angebauten Bankräume im Lehrerhaus, Stromberger Str. bezogen. Inzwischen ist das gesamte Küsterhaus, also auch mit dem Anbau von ca. 1898, unter Denkmalschutz gestellt.

H.J.Budde mit Angaben und Auszügen aus: „Das Lehrerbuch der Kirchengemeinde St. Vit-Wiedenbrück.“ von Dr. Phil. Franz Xaver Flaskamp, 1947

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